Berliner Geschichte

Rückblick: Die Richtfunkanlage Frohnau


Fast 30 Jahre leuchtete bei Einbruch der Dämmerung bis zum Morgengrauen der 358,58 Meter hohe Richtfunkmast in Frohnau weit in die nördlichen Stadtteile Berlins und in das Umland. Das markante Blinken und Leuchten war weithin zu sehen. Die sogenannte Flug- und Gefahrenbefeuerung war notwendig, da sich der Flughafen Tegel nicht weit weg befand. Es bedurfte besonderer Sicherungsmaßnahmen für den Flugverkehr. Der weit im Norden von West-Berlin gelegene Standort wurde gewählt, um den Flugbetrieb am wenigsten zu stören.


Neben Frohnau als Standort, wurde der Ehrenpfortenberg im Tegeler Forst, die Rehberge im Spandauer Forst sowie die Murellenberge in der Nähe des Olympiastadions in Betracht gezogen. Frohnau erwies sich schließlich als idealer Standort, hier stand schon der ab 1971 erbaute Sendeturm mit seinen 117,5 Metern. Knappe Kapizitäten im Telefonnetz Westberlins brachten den sogenannten Mondscheintarif. Er sollte die Menschen der damaligen "Inselstadt" dazu bewegen in den Abendstunden zu telefonieren. Die Wirtschaft und die Politik in West-Berlin brauchte tagsüber jede freie Telefonleitung um mit der Bundesrepublik oder dem Ausland telefonieren zu können. Es zeichnete sich aber Mitte der 70erJahre ab, dass die Kapazitäten erhöht werden müssen. Der Weg für den Aufbau des Richtfunkmastes in Frohnau war geebnet. Die Baugenehmigung wurde damals allerdings unter der Auflage erteilt, dass wenn der Richtfunkmast eines Tages nicht mehr benötigt wird, abgebaut werden muss. Wald- und Freiflächen waren ein wertvolles Gut zu West-Berliner Zeiten.


Am 16.3.1977 wurde mit dem Bau des Richtfunkmastes in Frohnau begonnen. Ausgeführt von der "Peiner Maschinen- und Schrauben AG Abteilung Turmbau Steffens & Nölle. Die Firma hatte schon in den 20er Jahren den Funkturm in Berlin errichtet. Eine ab Ende der 60er Jahre geplante Variante einen 350 Meter hohen Betonturm, ähnlich dem Sendeturm auf dem Schäferberg zu errichten, wurde aus Kostengründen verworfen. Dort hätte dann auch ein Restaurant mit Aussichtplattform Einzug gehalten. Die 31 Schüsse (Mastsegmente) wurden in der Montagehalle "Rüterbau" Betriebsabteilung "Peiner Stahlbau Berlin in Marienfelde vorgefertigt und in den Nachtstunden per Tieflader 40 km durch Berlin nach Frohnau gefahren. Der Transport hat zum Teil mehrere Stunden in Anspruch genommen. Immerhin hatten die Schüsse eine Basis von 4,30 * 4,30 Metern und waren 12 Meter lang und wogen bis zu 21t.


Am 1.6.1979 waren die Arbeiten am Mast beendet. Der Stahlgittermast wurde in der Rekordzeit von nur 3,5 Monaten aufgebaut. Anschließend erfolgte der weitere Ausbau und die Ausrüstung für die Funktechnik, Verlegung der Blitzgeschützten Kabel, der Aufzug bis 324 Meter. Das Einrichten der Funktechnik war am 16.5.1980 durch die Inbetriebnahme des Richtfunkmast abgeschlossen. Die Basis hate eine Querschnitt von 4,3 m x 4,3 m. Es wurden insgesamt 55.000 feuerverzinkte Peiner HV Schrauben verwendet. Auf dem Kalottenlager am Fuß des Mastes lag eine Belastung von 22,000 kN.

Technische Daten Richtfunkmast Frohnau:


Höhe 358,58 Meter
Der Richtfunkmast hatte ein Eigengewicht von 920 t
Mastquerschnitt 4,30 * 4,30 m
7 Fundamentblöcke
Gesamtvolumen 2000m³
5000t Beton
15 Pardunen Gesamtlänge 3,8 Km
Pardunenheizung nur in östlicher Richtung, Leistung 75 kW *
Durchmesser der Pardunen 50-82 mm
Gesamtgewicht der Pardunen: 250t
Aufzug 325m Geschwindigkeit 0,65 m/s
Maximale Schwankung der Mastspitze + 1,70m


* Die Pardunenheizung hatte keinen bautechnischen Hintergrund. Die Statik des Sendemastes wäre durch eine Eisbildung nicht beeinträchtigt worden. Hintergrund der Pardunenheizung war, eine Sach- oder Personenschädigung auf dem angrenzenden Gelände der damaligen Außenstelle der Karl Bonhoefer Nerverklinik Frohnau zu vermeiden. Eiszapfen hätten bei entsprechender Witterung und Windrichtung auf das Gelände der Außenstelle gelangen können. Die Deutsche Bundespost wollte kein Regressrisiko eingehen.


Am 8. September 1980 wurde der Richfunkmast durch den damaligen Postminister Gescheidle in Betrieb genommen. Allerdings war dies nur eine "Schein-Inbetriebnahme" für die Presse, da der Sendemast wie bereits erwähnt am 16. Mai 1980 in Betrieb ging. Die Baukosten wurden mit 11,5 Millionen DM beziffert. Allein für die Funktechnik wurden 3 Millionen DM veranschlagt. "Wir wollen da auch rauf" sollen die beiden Stadkomandanten (Amerikaner und Franzosen) bei der Eröffnungsfeier geäußert haben.


In der ersten Ausbaustufe hatte der Sendemast Frohnau eine Höhe von 344 Metern. Und wurde in der Zeit von 1980 - 1982 auf Wunsch der Allierten Mächte (Amerikaner und Franzosen) auf seine 358,58 Meter aufgestockt. Die Amerikaner und Franzosen ließen sich in dieser Zeit einen zusätzlichen Betriebsraum an die beiden schon vorhandenen Betriebsräume anbauen. Von Frohnau aus wurden die Funksignale der DDR und VR Polen abgehört. Anfang der 80er Jahre war die VR Polen für den Westen interessant, da es in dem Land tiefgreifende politische Änderung (Solidarnoshbewegung) gab.


Der Richtfunkmast Frohnau war das zweithöchste Bauwerk Berlins. Und das vierthöchste in Deutschland. Er war nur 10 Meter kürzer als der Fernsehturm in Ost-Berlin und durfte aus sogenannten "Prestigegründen" nicht höher gebaut werden. Eigentlich durften in Berlin Bauwerke nicht höher als 1000 Fuß gebaut werden so schrieb es das Alliertengesetz vor. In der Praxis war dieses Gesetz dann doch eher ein Gebot, denn auch bei der Errichtung des Fernsehturms in Ost-Berlin fand diese Regelung keine Beachtung.


Der Richfunkmast Frohnau war das höchst gelegende Gebäude im EU Gebiet, da sich unterhalb der Mastspitze ein aus 3 Einzelkabinen zusammengesetzter Betriebsraum von 11 mal 14 Metern Größe befand. Als Besonderheit sei hier das Trocken WC erwähnt.


Der Richtfunkmast stellte eine wichtige Funkbrücke zwischen West-Berlin und dem Bundesgebiet her. Diese Funkbrücke, die eine Distanz von 133 Kilometern überbrückte, war weltweit einmalig. Die Höhe der beiden Richtfunkmaste wurde gewählt, um die Erdkrümmung überwinden zu können. Die beiden Richfunkmasten, der in Berlin-Frohnau und der in Niedersachsen auf dem Höhbeck, hatten praktisch "Sichtkontakt". So konnte erstmals störungsfrei über das Gebiet der damaligen DDR gesendet werden. Es konnten bis zu 11.700 Kanäle geschaltet werden. In der ersten Ausbaustufe im 5,9 GHz Bereich gab es die 3+1 Technik, 3 mal 1800 Kanäle 3 Frequenzpaare und einen Schutzkanal. Es gab demnach 5400 Kanäle. Ab 1982 nach der zweiten Ausbaustufe konnten im 8,15 GHz Bereich, 5 Frequenzpaare mit je 1260 Kanälen sowie ein Schutzkanal geschaltet werden das waren nochmal 6300 Kanäle. Es standen insgesamt 11 700 Kanäle zur Verfügung. Der Schutzkanal im 8,15 GHz Bereich wurde später auch für TV- Signale genutzt.


Neben den Telefonkanälen wurden Kanäle für Inhalte von Radio und Fernsehsendungen sowie für Telekommunikationsdaten geschaltet. Die DDR hat diese Funkbrücke nie gestört - aber unweit der Rhinower Höhen abgehört (Quelle I, MfS der Hauptabteilung III).


Vor 1971 konnte West-Berlin nur über die sogenannte "Scattertechnik" bzw über die sogenannte "streifende Sicht" an die Bundesrepublik angebunden werden. Die "Scattertechnik" benutzt die Stratosphäre als Reflektor. Störungen und knappe Kapazitäten waren die Folge.


Der ab 1971 erbaute benachbarte kleine Sendeturm in Frohnau mit seinen 117,5 Metern trug früher zwei Parabolspiegel mit je 18 Metern Durchmesser. Hier war die 5+1 Technik geplant, pro Kanal sollten 960 Kanäle geschaltet werden. Die geplanten Kanäle konnten aber nicht im vollem Umfang geschaltet werden und blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Die großen Parabolspiegel wurden auf 2 Grad in Richtung Horizont ausgerichtet. Mit der sogenannten Beugungsverbindung konnten immerhin 2 Frequenzpaare a 360 Kanäle geschaltet werden. Das waren immerhin 720 Kanäle. Der kleine Sendeturm stellte die Verbindung zwischen Berlin-Frohnau und dem niedersächsischen Clenze her.

Technische Daten Stahlgitterturm Frohnau:


Bauzeit 1971/72
Höhe 117,5 Meter
Baukosten 2,5 Millionen DM.
Fundament 4 * 100m³ Beton
Eigengewicht 400 t

4 Funkbrücken ermöglichten West-Berlin die Telekomunikation mit der Bundesrepublik und dem Rest der Welt. Die Verbindung Schäferberg - Sendeanlage Torfhaus/Harz. Sowie die Verbindung Sendeturm Schäferberg - Sendemast Gartow I auf dem Höhbeck. Neben dem Schäferberg die Verbindung Berlin Frohnau zum Sendeturm Clenze und ab 1980 die Verbindung Berlin-Frohnau zum Richfunkmast Gartow II auf dem Höhbeck.


Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wurden die Funkbrücken nicht mehr benötigt. Über die Glasfasertechnik bzw. Satellitentechnik konnte Berlin an die alte Bundesrepublik angebunden werden. Sukzessive demontierte man die Richtfunkantennen ab Mitte der 90er Jahre am Richfunkmast und am kleinen Sendeturm. Bis zum Sommer 2008, als die Nutzungsverträge ausliefen, nutzten die Mobilfunkunternehmen und die Bündelfunkanwendungen den Richtfunkmast. Außerdem befand sich in 324 Metern Höhe eine Lufmessstation des Berliner Luftgütemessnetzes (BLUME). Die Deutsche Funkturmgesellschaft (DFMG) fand anschließend keine Verwendung mehr für den Richtfunkmast in Frohnau. Außerdem hätte in diesem Jahr, der Korrisionsschutz, für eine halbe Million Euro erneuert werden müssen. Zusätzlich wären weiterhin Betriebskosten von 50.000 Euro entstanden.


Am 8.2.2009 um 13.10 Uhr wurde der Richtfunkmast Frohnau gesprengt. Tausende Berliner und Brandenburger nahmen Abschied von einem Nordberliner Wahrzeichen. Für die Brandenburger war der Richfunkmast Frohnau damals eine Art "Leuchtturm" und Richtungszeiger für den "Westen". Herr Hampl, der Bauingenieuer der den Mast vor über 30 Jahren mit aufgebaut hatte und Herr Herrnleben der zur damaligen Zeit als Ingenieuer für die Abnahme der Funktechnik verantwortlich war, schauten sich die Sprengung von der Frohnauer Gärtnerei aus an. Der rund 920 Tonnen schwere Richfunkmast schlug eine Schneise in den Frohnauer Forst. Ein großer Teil des Betriebsgeländes wird an die Berliner Forsten übergeben. Nun leuchtet nur noch der kleine Sendeturm im Frohnauer Forst. Er bleibt stehen, da über ihn die Mobilfunk- und Bündelfunkanwendungen abgewickelt werden. Wehmut bleibt zurück an ein Relikt aus dem kalten Krieg, an das man sich gewöhnt hatte. Der Bruder (Richfunkmast Gartow II) aber, mit seinen 344 Metern auf dem niedersächsischen Höhbeck darf weiter in die Nacht leuchten. Am 18.8.2009 verschwand ein weiteres Relikt aus dem Kalten Krieg. Der Sendemast Gartow I auf dem Höhbeck wurde gesprengt, er strahlte jahrelang das ZDF und das NDR Fernsehen weit und politisch gewollt in die DDR aus. Der Sendemast Gartow I war nicht die Gegenstation des ehemaligen Richtfunkmastes in Frohanu, wie es fälschlicherweise in der Presse behauptet wurde. Wen die Sehnsucht in Gedenken an den Richtfunkmast-Frohnau packt, der kann jetzt einen Hauch von ihm auf dem Höhbeck erahnen.

Text: Christian Mey


Sendemast Frohnau,
Foto: Jens Dunkel, 1986


Sendemast Frohnau,
Foto: Christian Mey, September 2003


Sendemast Frohnau,
Foto: Christian Mey, November 2008


Sendemast Frohnau,
Foto: Christian Mey, Dezember 2008


Sendemast Frohnau,
Foto: Christian Mey, Dezember 2008


Sendemast Frohnau Sprengung
Foto: Christian Mey, Sonntag 8.2.2009. 13.10 Uhr


Sendemast Frohnau Schrott
Foto: Christian Mey, Ende Februar 2009


Er durfte stehen bleiben, der "kleine" Sendeturm Frohnau erbaut 1971/1972. Hier noch mit der ersten Version (Provisorium?) der Flugbefeuerung.
Foto: Christian Mey, 15.3.2009


Hier der Sendeturm Frohnau vom Stolper Feld aus gesehen. Links von ihm ragte einst ca. 3 mal höher als der jetzige Sendeturm der Richtfunkmast in den Frohnauer Himmel.
Foto: Christian Mey, 16.4.2009


Der Sendeturm trägt seit einigen Tagen eine neue Flugbefeuerung. Die Konturen des Sendeturms Frohnau sind jetzt deutlich besser zu erkennen. Seitdem der Richtfunkmast Frohnau gesprengt wurde, musste der Sendeturm Frohnau zwingend durch eine Flugbefeuerung kenntlich gemacht werden. Etwa eine Woche vor der Sprengung des Richtfunkmastes Frohnau leuchteten beide Bauwerke in den Frohnauer Nachthimmel.
Foto: Christian Mey, 17.9.2009


Das Foto zeigt eine Gedenk- und Infotafel des ehemaligen Richtfunkmastes Frohnau. Es wurde am 8.2.2010 von der Projektgruppe www.richtfunkmast-frohnau.de am Jägerstieg in Frohnau aufgestellt.
Foto: Christian Mey, 24.2.2011

Weitere Links und Informationen:

Video: Sprengung Sendemast Frohnau 8.2.2009, Jens Dunkel: Sendemast Frohnau 8.2.2009

Informationsseite zum Richfunkmast Frohnau: www.Richtfunkmast-Frohnau.de


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